1787 – 1862
Was ich in Liedern manches Mal
berichte
Von Küssen in vertrauter
Abendstunde,
Von der Umarmung wonnevollem
Bunde,
Ach! Traum ist, leider, alles
und Gedichte.
Und du noch gehest mit mir ins
Gerichte,
Du zürnest meinem
prahlerischen Munde:
Von nie gewährtem Glücke geb’
er Kunde,
Das, selbst gewährt, zum
Schweigen stets verpflichte.
Geliebte, laß den strengen
Ernst sich mildern
Und lächle zu den leichten
Dichterträumen,
Dem unbewußten Spiel, den
Schattenbildern!
Der Sänger ruhet schlummernd
oft im Kühlen,
Indes die Harfe hänget unter
Bäumen
Und in den Saiten Lüfte
säuselnd wühlen.
1787 – 1862
Wir waren neugeboren,
himmlisch helle
War uns der Liebe Morgen
aufgegangen.
Wie glühten, Laura, Lippen dir
und Wangen!
Dein Auge brannt’, es schlug
des Busens Welle.
Wie wallt’ in mir des neuen
Lebens Quelle!
Wie hohe Kräfte rastlos mich
durchdrangen!
Sie ließen nicht des Schlafes
mich verlangen,
Lebendig kurzer Traum vertrat
die Stelle.
Ja! Lieb’ ist höher Leben im
gemeinen;
Das waren ihre regen
Lebenszeichen:
Nun such’ ich sie an dir, in
mir vergebens.
Drum muß ich, Laura! dich und
mich beweinen:
Wir beide sind erloschner
Liebe Leichen,
Uns traf der Tod des liebelosen Lebens.
1787 – 1862
Mich hat ein Traum in vor’ge
Zeit getragen,
Er hat den alten Schmerz mir
angelogen,
Als die Geliebte fernehin
gezogen,
Und ich zurückeblieb in
Frühlingstagen.
Die Berge, wie so Blau sie
drüben lagen,
Die Winde, die mit
Blumendüften flogen,
Bei Nacht der sternevolle
Himmelsbogen,
Wie nährt es alles meiner
Sehnsucht Klagen!
O Traum! du quältest mich mit
eitlem Harme;
Sie kam ja längst zurücke,
mein Verlangen,
Hat freundlich ausgeruht in
meinem Arme.
Doch hast du süße Täuschung
mir gewähret!
Die Liebste, weh! sie ist
seitdem gegangen
Den finstern Pfad, von wo sie nimmer kehret.
1787 – 1862
Von dir getrennet, lieg ich wie begraben,
Mich grüßt kein Säuseln linder Frühlingslüfte;
Kein Lerchensang, kein Balsam süßer Düfte,
Kein Strahl der Morgensonne kann mich laben.
Wenn sich die Lebenden dem
Schlummer gaben,
Wenn Tote steigen aus dem Schoß der Grüfte,
Dann schweb ich träumend über Höhn und Klüfte,
Die mich so fern von dir getrennet haben.
Durch den verbotnen Garten darf ich gehen,
Durch Türen wandel ich, die mir sonst verriegelt,
Bis zu der Schönheit stillem Heiligtume.
Erschreckt dich Geisterhauch, du zarte Blume?
Es ist der Liebe Wehn, das dich umflügelt.
Leb wohl! ich muß ins Grab, die Hähne krähen.
1787 – 1862
Bei jener Winterstürme rauhen
Tosen
Und bei der Erde tödlichem
Erkalten
Hatt’ ich mir süße Träume
stets erhalten
Von Maienlicht, von linder
Lüfte Kosen.
Und in dem blütenreichen,
wolkenlosen
Ertraümten Lenze pflegten sich
Gestalten
Der tiefsten Lieb’ und
Sehnsucht zu entfalten,
Da ruhten sie wie Venus in den
Rosen.
Der Frühling sank herab auf
die Gefilde,
Nicht reicher, milder konnt’
ich ihn erträumen.
Doch wo sind meiner Liebe
Duftgebilde?
In allem Glanz der Blüten und
der Blätter,
In diesen festlichen
verklärten Räumen
Seh ich nur einen Himmel ohne Götter.
1787 – 1862
Als Phöbus stark mit Mauern,
Türmen, Gittern
Die Königsburg von Nisa half
bereiten,
Da legt’ er seiner Lyra goldne
Saiten
Auf einen Mauerstein mit
leisem Schüttern.
Die Zinne konnte nicht so sehr
verwittern,
Daß nicht den Marmor noch in
späten Zeiten,
Selbst bei des Fingers
leichtem Drübergleiten,
Durchklungen hätt’ ein sanft
melodisch Zittern.
So legt’ auch ich auf dies
Gedächtnisblatt,
Das du wohl öfters, blätternd,
wirst berühren,
Main Saitenspiel, auch gab es
einen Ton:
Und dennoch zweifl’ ich, ob an
dieser Statt
Du jemals einen Nachklang
werdest spüren,
Denn ich bin Phöbus nicht, noch Phöbus’ Sohn.
1787 – 1862
Vom Feuer, das in Liebenden
sich dränget,
Wie Ebb’ und Flut, vernehmt
geheime Kunde!
Sind sie getrennt, so bleibt
es tief im Grunde
Der sehnsuchtsvollen Herzen
eingeenget;
Nur Widerschein der Glut, die
innen senget,
Gelangt zum dunklen Aug’ und
bleichen Munde;
Bis nun erscheint des
Wiedersehens Stunde,
Wo sich das Feuer aus der
Tiefe sprenget.
Wie erst mit heißen Blicken
sie sich grüßen!
Wie beider lang verhaltne
Flammen streben,
Sich zu vereinen durch das
Spiel der Augen!
Bald senken sie die Wimpern,
um in Küssen
Noch tiefer eins des andern
glühend Leben
Aus Lippen, denn aus Augen, einzusaugen.
1787 – 1862
Daß ich dich, göttlich Bild!
so treu verehret,
Bald wie das Kind mich an die
Mutter drückte,
Bald wie Johannes zu dem Kinde
blickte,
Und meinen Glauben so an dir
genähret:
Das hat sich mir in finstrer
Nacht bewähret,
Als kalter Schauer mir den
Geist umstrickte,
Kein freundlich Bild des
Lebens mich erquickte,
Zur Schreckgestalt das
Schönste sich verkehret.
Da gingest du mit himmlischer
Gebärde
Vom Licht der eignen Glorie
durchglühet,
Mir tröstend auf im finsteren
Gemüte.
Ja! Gottes Segen leuchtet noch
der Erde,
Solang auf ihr der Kindheit
Unschuld blühet
Und reiner Frauen ew’ge
Engelgüte.
1787 – 1862
Wohl denk’ ich jener sel’gen
Jugendträume,
Obschon sich die Gefühle mir
versagen,
Wann in den ersten, milden
Frühlingstagen
Im Busen sich mir drängten
volle Keime.
Die Ahnung lockte mich in
ferne Räume,
Wann wo ein Laut des Lenzes
angeschlagen;
Die Hoffnung wollte sich zum
Lichte waren,
Wie aus den Knospen frisches
Grün der Bäume.
Doch nun, da ich das Höchste
jüngst genossen,
Gerissen aus dem innigsten
Vereine,
Vom reichsten Paradiese kaum
verstoßen:
Was sollen nun mir
halbergrünte Triften,
Einsamer Amselschlag im toten
Haine,
Ein armes Veilchen, noch so
süß von Düften?
1787 – 1862
Wie, wenn man auch die Glocke
nicht mehr ziehet,
Es lange dauert, bis sie
ausgeklungen;
Wie, wer von einem Berge kam
gesprungen,
Umsonst den Lauf zu hemmen, sich
bemühet;
Wie oft aus Bränden, welche
längst verglühet,
Ein Flämmchen unversehens sich
geschwungen,
Und spät noch eine Blüte
vorgedrungen
Aus Ästen, die sonst völlig
ausgeblühet;
Wie den Gesang, den zu des
Liebchens Preise
Der Schäfer angestimmt aus voller
Seele,
Gedankenlose Halle weiter
treiben:
So geht es mir mit der
Sonettenweise.
Ob mir´s an Zweck und an
Gedanken fehle,
Muß ich zum Schlusse dies
Sonett doch schreiben.
1787 – 1862
Wie Sterbenden zumut’, wer mag
es sagen?
Doch wunderbar ergriff mich’s
diese Nacht;
Die Glieder schienen schon in
Todes Macht,
Im Herzen fühlt’ ich letztes
Leben schlagen.
Den Geist befiel ein
ungewohntes Zagen,
Den Geist, der stets so sicher
sich gedacht;
Erlöschend jetzt, dann wieder
angefacht,
Ein mattes Flämmchen, das die
Winde jagen.
Wie? hielten schwere Träume
mich befangen?
Die Lerche singt, der rote
Morgen glüht,
Ins rege Leben treibt mich neu
Verlangen.
Wie? oder ging vorbei der
Todesengel?
Die Blumen, die am Abend
frisch geblüht,
Sie hängen hingewelket dort
vom Stengel.
1787 – 1862
Wir hatten einen Mond uns
nicht gesehen:
Endlose Marter für mein innig
Lieben!
Daß wir uns lange, lange
ferngeblieben,
Das wollte mir die strenge
selbst gestehen.
Nun sah ich süße Blütenzeit
vergehen,
Ich sah die goldnen Früchte
vorgetrieben,
Die welken Blätter seh’ ich
schon zerstieben,
Und immer noch muß ich ihr
fernestehen.
Und dennoch seh’ ich heiter in
den Schmerzen,
Wie Mond auf Monde stets von
ihr mich trennen,
Denn eine Hoffnung reift in
meinem Herzen:
Sie werde, wann wir einst uns
wieder nahen,
So eher freundlich wieder mir
bekennen:
Daß wir uns lange, lange nicht mehr sahen
1787 – 1862
Ein Sänger in den frommen
Rittertagen,
Ein kühner Streiter in dem
heil’gen Lande,
Durchbohrt von Pfeilen lag er
auf dem Sande,
Doch konnt’ er dies noch
seinem Diener sagen:
„Verschleuß mein Herz, wann es
nun ausgeschlagen,
In jener Urne, die vom
Heimatstrande
Ich hergebracht mit manchem
Liebespfande!
Drin sollst du es zu meiner
Herrin tragen.“
So ich, Geliebte, der nur dich
gefeiert,
Verblute fern von dir in
Liebesschmerzen,
Schon decket meine Wangen
Todesblässe.
Wann deinen Sänger Grabesnacht
umschleiert,
Empfange du das treuste aller
Herzen
In des Sonettes goldenem
Gefäße!
1787 – 1862
Dem Dichter ist der Fernen
Bild geblieben,
Bei dem er einsam oftmals
Trost gefunden,
Und hält des Lebens Wirrung ihn
umwunden,
Er fühlt am Busen doch das
Bild der Lieben.
Auch was der Dichter sang,
sehnsuchtgetrieben,
Die Schöne liest es oft in
Abendstunden,
Und manches hat so innig sie
empfunden,
Das ihr es tief im Herzen
steht geschrieben.
Ein teures Bild, wohl wirkt es
wunderkräftig,
Wohl mancher Kummer weicht des
Liedes Tönen,
Doch ewig bleibt der Trennung
Schmerz geschäftig.
O Schicksal! wechsle leicht
nur mit den Losen:
Den Dichter führe wieder zu
der Schönen,
Die Lieder mögen mit dem Bilde kosen!